Nachträglicher Testamentsentwurf führt nicht zum Testamentswiderruf

02.09.2020

Die Erblasserin setzte in einem Testament im Jahr 2010 ihren Sohn als befreiten Vorerben und eine Stiftung für behinderte Menschen zur Nacherbin ein. Der Sohn verstarb und die Erblasserin fertigte ein neues Testament im Entwurf an. Sowohl gegenüber ihrer Anwältin als auch gegenüber Dritten erklärte sich die Erblasserin dahin, dass sie der Stiftung nichts mehr zukommen lassen möchte. Bevor die Erblasserin ein formgültiges Testament verfassen konnte, verstarb sie. Zwei gesetzliche Erben beantragten daraufhin einen Erbschein zu ihren Gunsten, mit der Begründung, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.

Sowohl das Nachlassgericht als auch die Beschwerdeinstanz (OLG Hamburg, Beschluss vom 30.01.2020, 2 W 85/19) teilten diese Auffassung nicht.

Für die Ermittlung des Erblasserwillens ist der Zeitpunkt der Errichtung des Testaments maßgebend. Somit war vorliegend das Testament aus dem Jahr 2010 heran zu ziehen. Durch den nachträglichen Testamentsentwurf wurde das Testament aus dem Jahr 2010 nicht widerrufen. Die bloße Anfertigung eines Entwurfs und mündliche Äußerungen der Erblasserin dahingehend, dass sie die Erbfolge neu regeln wolle, stellt keinen formwirksamen Widerruf dar. In dem Testament aus dem Jahr 2010 finden sich jedoch keine Anhaltspunkte für eine Auslegung hinsichtlich der Frage, wer Ersatzerbe für den Fall des Vorversterbens des Sohnes als Vorerben sein sollte. Somit gilt mangels anderer Auslegungsaspekte die Zweifelsregelung des 2102 I BGB. Danach enthält die Einsetzung als Nacherbe im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe, sodass die zum Nacherben eingesetzte Stiftung Ersatzerbe für den vorverstorbenen Vorerben wurde.

Fazit: Stets sollte die Errichtung eines Testaments, sofern es angedacht ist, zügig umgesetzt werden.

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Ansprechpartner: Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier