Auch der Erbe kann vor Teilung des Nachlasses Erfüllung des ihm zugewandten Vorausvermächtnisses verlangen

12.03.2022

Zum Sachverhalt: Die Erblasserin hinterließ zwei Miterben und ordnete zu deren Gunsten verschiedene Vorausvermächtnisse an. U.a. erhielt einer der Miterben im Rahmen des Vorausvermächtnisses eine Nachlassimmobilie zugewandt. Dieser Miterbe forderte noch vor der Erbauseinandersetzung die Erfüllung seines Vorausvermächtnisses ein. Da der andere Miterbe an der Erfüllung nicht mitwirkte, erhob der insofern begünstigte Miterbe Klage auf Erfüllung. Das Landgericht Mainz gab ihm Recht. Die hiergegen beim Oberlandesgericht (OLG) Koblenz eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Vom Bundesgerichtshof (BGH) wurden die Ausführungen des OLG Koblenz in vollem Umfang bestätigt, BGH, Beschluss vom 29.09.2021, IV ZR 141/21.

Soweit dem Miterben zusätzlich ein Vorausvermächtnis durch den Erblasser zugewandt wird, ist der bedachte Miterbe Nachlassgläubiger und kann somit die Erfüllung seines Vermächtnisanspruchs aus dem noch ungeteilten Nachlass fordern. Dabei spielt es keine Rolle, dass er zugleich als Miterbe mitbeschwert ist. Ein Vermächtnis ist grundsätzlich eine Nachlassverbindlichkeit, die vor der Nachlassauseinandersetzung zu befriedigen ist. Bei der Klage auf Erfüllung des Vorausvermächtnisses handelt es sich folglich nicht um ein unzulässiges Verlangen auf eine Teilerbauseinandersetzung.

Die Unterscheidung Vermächtnis und Teilungsanordnung ist für die Praxis häufig nicht leicht. Oftmals werden vom Erblasser Rechtsbegriffe miteinander vermengt, sodass sich häufig allein aus der Wortwahl nicht der tatsächliche Wille des Erblassers schließen lässt. Es bedarf dann in diesen Fällen der Auslegung unter Hinzuziehung sämtlicher Umstände, die zur Aufklärung des tatsächlichen Erblasser Willen beitragen können. Handelt es sich beim Vermächtnis um eine Nachlassverbindlichkeit, die vor der Teilung zu erfüllen ist, kann die Erfüllung der Teilungsanordnung erst mit der Erbauseinandersetzung eingefordert werden. Es muss daher ermittelt werden, ob der Erblasser dem Erben einen Nachlassgegenstand zusätzlich zuwenden wollte, dann handelt es sich um ein Vorausvermächtnis, oder ob es ihm ausschließlich darum ging, dass ein bestimmter Gegenstand im Rahmen der Erbauseinandersetzung einem bestimmten Erben zukommen soll. In diesem Fall hätte der Erblasser eine Teilungsanordnung getroffen.

Für weitere Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Ansprechpartner: Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier