Die „lenkende Ausschlagung“ – OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 06.02.2021, 21 W 167/20

06.01.2022

Der Erblasser hatte am 16.12.1989 mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Weitere Verfügungen wurden nicht getroffen. Der Erblasser hinterließ neben seiner Ehefrau einen Sohn und eine Tochter. Nach seinem Tod schlug die Ehefrau die Erbschaft aus und gab die Kinder als weitere Erben an. Ziel der Ehefrau war es, dass die Tochter Alleinerbin werden sollte. Auch der Sohn schlug die Erbschaft aus. An dessen Stelle trat sodann dessen Abkömmling als Ersatzerbe. Die Ehefrau focht daraufhin die Ausschlagungserklärung an, mit der Begründung, dass ihr durch den Notar nicht erklärt worden sei, dass wenn ihr Sohn die Erbschaft ausschlägt, an seine Stelle sein Abkömmling tritt. Dies habe sie auch nicht gewusst.

Das OLG entschied, dass der Ehefrau kein Anfechtungsgrund zusteht. Der Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben könnte zwar einen beachtlichen Inhaltsirrtum darstellen, vorliegend habe sich die Ehefrau jedoch lediglich darüber geirrt, dass mit der weiteren Ausschlagung durch den Sohn, dessen Erbteil an seinen Abkömmling anfällt. Hierbei handle es sich lediglich um eine mittelbare Folge der Ausschlagungserklärung der Ehefrau. Eine solche mittelbare Rechtsfolge stelle jedoch nur einen unbeachtlichen Motivirrtum dar.

Fazit: Bei einer lenkenden Ausschlagung ist stets Vorsicht geboten. Im Übrigen ist zu beachten, dass in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist, ob der Irrtum über die Person des nächstberufenen Erben als beachtlicher Rechtsfolgeirrtum und somit als Inhaltsirrtum oder lediglich als unbeachtlicher Motivirrtum einzustufen ist.

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Ansprechpartner: Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier