Der Begriff „Abkömmling“ erfasst auch Enkel und Urenkel

24.04.2020

Geben Eheleute in ihrem gemeinsamen Testament an, dass Erben des Letztversterbenden “unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen” sein sollen, umfasst der Begriff “Abkömmlinge” nicht nur die gemeinsamen Kinder, sondern auch Enkel und Urenkel. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg hervor (Urteil vom 11.09.2019, Az. 3 U 24/18).

Im zugrunde liegenden Streitfall hatten sich die Eheleute in einem notariellen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt. Erben des Letztversterbenden sollten die gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu gleichen Anteilen sein. Der Überlebende sollte allerdings auch die Erbfolge “unter den gemeinschaftlichen Abkömmlingen“ abändern können. Nach dem Tod ihres Ehemannes setzte die Witwe in einem zweiten handschriftlichen Testament ihre eine Tochter und deren Sohn zu ihren Erben ein. Die andere Tochter hielt dies für unzulässig, denn die Eheleute hätten verfügt, nur die “gemeinschaftlichen Abkömmlinge” könnten als Eben eingesetzt werden. Unter “gemeinschaftliche Abkömmlinge” seien aber nur die gemeinsamen Kinder zu verstehen. Eine Erbeinsetzung des Enkelsohns sei nicht möglich, sodass die Erbeinsetzung der Witwe unwirksam sei. Folglich seien nach wie vor alle Kinder der Eheleute Erben.

Das Landgericht Osnabrück gab der Klage statt und teilte die Auffassung, dass die Einsetzung des Enkelsohns durch die Witwe nach dem gemeinsamen Testament nicht mehr möglich gewesen sei. Hiergegen erhoben die von der Witwe eingesetzte Tochter und deren Sohn Berufung zum Oberlandesgericht.

Die Berufung hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied, dass das Wort “Abkömmlinge” nicht allein auf Kinder beschränkt sei. “Abkömmlinge” heiße auch Enkel, Urenkel usw., so das Oberlandesgericht. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetz (§ 1924 BGB). Seien nur die Kinder gemeint gewesen, hätten die Eheleute auch den Begriff “Kinder” gewählt. Es sei auch plausibel, dass die Eheleute alle ihre zum Zeitpunkt des Erbfalls lebenden Abkömmlinge – ob Kinder, Enkel oder Urenkel – gleichbehandeln wollten. Denn häufig hätten die eigenen Kinder beim Versterben der Eltern bereits eine gefestigte Lebensstellung, während die Enkel und gegebenenfalls die Urenkel sich noch ihr eigenes Lebensumfeld schaffen müssten und eher finanzielle Unterstützung nötig hätten. Ebenso sei nachvollziehbar, dass die Eheleute alle Abkömmlinge gleich behandeln wollten und der Umfang des Erbes der einzelnen Enkelkinder nicht davon abhängen sollte, ob ihre Eltern noch lebten und wie viele Geschwister sie jeweils hätten.

Fazit: „Kinder“ und „Abkömmlinge“ sind in der Erbrechtswelt nicht dasselbe, auch wenn die Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch oft synonym verwendet werden. Der Begriff „Abkömmlinge“ ist mehrdeutig und geht in der Regel weiter als der Begriff „Kinder“, dies muss bei der Abfassung letztwilliger Verfügungen beachtet werden.

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Ansprechpartner: Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier