Der Pflichtteilsberechtigte und das notarielle Nachlassverzeichnis

29.08.2023

Wird ein nahestehender Familienangehöriger von der Erbfolge ausgeschlossen, stellt sich in den meisten Fällen die Frage, ob dann wenigstens der Pflichtteil geltend gemacht werden kann. Da der Pflichtteilsanspruch jedoch nur ein schuldrechtlicher Anspruch gegenüber dem Erben ist, oftmals Zweifel aufkommen, ob der Erbe zügig und ordnungsgemäß seiner Auskunftsverpflichtung nachkommt, stellt sich für den Pflichtteilsberechtigten nicht selten die Frage, ob er die Auskunftsklage gegenüber dem Erben erheben soll.

Bei einer vorschnellen Klageerhebung droht dem Pflichtteilsberechtigten jedoch die Gefahr, dass er die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Mit einem solchen Sachverhalt hatte sich das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, Beschluss vom 16.06.2023, 3 W 57/23 zu befassen. Der Erbe wurde vom Pflichtteilsberechtigten mit Schreiben vom 06.10.2022 aufgefordert, ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen. Für die Frist zur Anzeige der Beauftragung eines Notars wurde dem Erben eine Frist auf den 01.11.2022 gesetzt. Mit Schreiben vom 21.11.2022 teilte die Erbin dem Pflichtteilsberechtigten mit, dass sie am 27.10.2022 den Notar U.K. mit der Anfertigung des Nachlassverzeichnisses beauftragt hat.

Am 25.01.2023 erhob der Pflichtteilsberechtigte die Auskunftsklage. Die Erbin anerkannte den Auskunftsanspruch, beantragte jedoch, die Kosten des Rechtsstreits dem Pflichtteilsberechtigten aufzuerlegen. Die Erbin wurde durch Anerkenntnisurteil zur Auskunft verurteilt, jedoch die Kosten des Rechtsstreits wurden, wie von der Erbin beantragt, dem Pflichtteilsberechtigten auferlegt.

Das Landgericht ging davon aus, dass es sich bei dem Anerkenntnis der Erbin um ein sofortiges Anerkenntnis handelt, auch habe die Erbin keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Die Erbin habe, wie vom Pflichtteilsberechtigten gefordert, einen Notar mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beauftragt. Allein der Umstand, dass bis zur Klageerhebung das Nachlassverzeichnis noch nicht vorgelegt wurde und auch keine weitere Sachstandmitteilung von der Erbin erfolgte, könne nicht dahin ausgelegt werden, dass die Erbin der ihr obliegenden Auskunftspflicht nicht freiwillig nachkommen werde.

Grundsätzlich werde auch für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses ein gewisser Zeitraum benötigt. Die vom Pflichtteilsberechtigten erhobene Beschwerde gegen die Kostenentscheidung blieb ohne Erfolg. Auch das OLG Brandenburg teilte die Auffassung des Landgerichts, dass die Erbin keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Eine Klageerhebung nur drei Monate nach der Beauftragung des Notars und ohne sich zuvor nach dem Stand der notariellen Tätigkeit zu erkundigen, sei verfrüht. Dem Erben sei regelmäßig ein Zeitraum von mindestens drei bis vier Monaten für die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses zuzubilligen. Dieser sei bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen.

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Ansprechpartner: Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier