Keine Schmälerung der Pflichtteilsansprüche durch Vermächtnisse

15.12.2020

Häufig unterliegen Erblasser dem Irrtum, dass soweit der Nachlass mit Vermächtnissen belastet wird, dies sich auch rechnerisch auf die Pflichtteilsansprüche auswirkt.  

Zum Sachverhalt: Die Erblasserin bestimmte testamentarisch einen Erben, zu dessen Gunsten sie auch ein beschränktes Vorvermächtnis über den wesentlichen Nachlasswert hinsichtlich einer Wohnung und des Hausrats verfügte. Dem Ehegatten des Erben räumte sie im Rahmen des Vermächtnisses ein lebenslanges Wohnrecht ein. Somit ergab sich im Rahmen der wirtschaftlichen Betrachtung ein negativer Nachlasswert. Im Pflichtteilsstreit wandte der Erbe nunmehr ein, dass kein Pflichtteilsanspruch bestehe, da der reale Nachlasswert durch die Vermächtnisse aufgezehrt werde. Dieser erhobene Einwand blieb jedoch ohne Erfolg.  

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hält in seiner Entscheidung (Beschluss vom 03.07.2020, 12 U 107/20) unmissverständlich fest, dass die testamentarisch angeordneten Vermächtnisse nicht dazu führen, den Pflichtteilsanspruch der Höhe nach zu mindern. So bleiben gemäß § 2311 I 1 BGB Vermächtnisse bei der Ermittlung des Nachlasswerts unberücksichtigt. Sinn und Zweck dieser Regelung ist hierbei, zu verhindern, dass der Erblasser durch Vermächtnisse den Pflichtteilsanspruch herabsetzt oder sogar aushöhlt. Zwar sind auch Vermächtnisse berücksichtigungsfähige Nachlassverbindlichkeiten, allerdings ergibt sich aus § 1991 IV BGB, dass das Pflichtteilsrecht dem Vermächtnisrecht vorgeht, mit den Worten des OLG Koblenz „Im Ergebnis schlägt somit das Pflichtteilsrecht das Vermächtnis“.  

Ansprechpartner: Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier