Pflichtteilsansprüche sind auch bei ungewissen Verbindlichkeiten zu bedienen (OLG Koblenz)

18.12.2020

Werden Pflichtteilsberechtigte im Rahmen testamentarischer Verfügungen nicht bedacht bzw. wird das Zugewandte durch den Pflichtteilsberechtigten ausgeschlagen, stehen dem Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich Pflichtteilsansprüche zu.  

Diese Ansprüche wurden vorliegend durch die Erbin nicht bestritten, allerdings wurde von der Erbin geltend gemacht, dass gegenüber dem Nachlass vorrangig noch eine zweifelhafte Forderung von rund 57.000,00 € bestehe, sodass sie sich nicht in der Lage sehe, die Höhe der berechtigten Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten zutreffend zu beziffern.  

Nachdem der Dritte seine zweifelhafte Forderung fallen ließ, wurde von der Erbin der aus ihrer Sicht berechtigte Zahlungsanspruch beziffert und ausgeglichen. Über den danach offenen Restbetrag haben sich die Parteien im Vergleichswege verständigt, über die Kosten des Rechtsstreits sollte das Gericht entscheiden. Die Kosten wurden überwiegend der Erbin auferlegt. Die hiergegen von der Erbin eingelegte sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg.  

So entschied das OLG Koblenz (Beschluss vom 14.08.2020, 12 W 173/20), dass nach § 2313 I 1, II 1 BGB ungewisse Verbindlichkeiten, wie sie vorliegend durch den Dritten geltend gemacht wurden, bei der Feststellung des Nachlasswerts außer Betracht bleiben. Damit hatte die Pflichtteilsberechtigte im gerichtlichen Verfahren die ihr zustehenden Ansprüche im wesentlichen zutreffend beziffert und die Erbin durfte zu diesem Zeitpunkt den Ansprüchen der Pflichtteilsberechtigen nicht die ungewissen Verbindlichkeiten entgegenhalten. Der Gesetzeswortlaut ist insofern eindeutig. So sieht das Gesetz eine Risikoverteilung dahingehend vor, dass die Erbin zunächst den unter Außerachtlassung der ungewissen Verbindlichkeit berechneten Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch auszugleichen hat. Sollte sich dann später herausstellen, dass die Forderung des Dritten berechtigt ist, kann ein Rückforderungsanspruch in Höhe des überzahlten Betrages gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten geltend gemacht werden, § 2313 I 3 BGB. Das Risiko, dass sich dieser Rückzahlungsanspruch nicht mehr realisieren lässt, hat dabei der Erbe zu tragen. 

Ansprechpartner: Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier