Unbegleitete Probefahrt und ihre Tücken

06.02.2021

In einer aktuellen Entscheidung musste sich der Bundesgerichtshof (Urteil vom 18.09.2020, V ZR 8/19) mit folgendem Sachverhalt auseinandersetzen:

Einem vermeintlichen Kaufinteressenten wurde von einem Autohaus ein als Vorführwagen genutztes Fahrzeug, dessen Wert rund 52.900,00 € betrug, zu einer unbegleiteten Probefahrt im August 2017 überlassen. Der vermeintliche Kaufinteressent legte einen italienischen Personalausweis, eine Meldebestätigung einer deutschen Stadt und einen italienischen Führerschein vor. Hiervon fertigte sich das Autohaus Kopien an. Zwischen dem vermeintlichen Kaufinteressenten und dem Autohaus wurde sodann in einem als „Fahrzeug-Benutzungsvertrag“ bezeichneten Formular die Durchführung einer Probefahrt geregelt. Ein Autoschlüssel, Fahrtenbuch, Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I wurden ausgehändigt. Das Fahrzeug wurde nicht mehr zurückgebracht. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich bei den vorgelegten Papieren des vermeintlichen Kaufinteressenten um hochwertige Fälschungen handelt.

Im September 2017 wurde das Fahrzeug von einem Dritten käuflich erworben. Die Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II waren auf Originalvordrucken, die aus einer Zulassungsstelle entwendet worden waren, angefertigt. Für den Dritten war somit nicht erkennbar, dass es sich um ein gestohlenes Fahrzeug handelt und es kam zu einem Kaufvertrag. Von der Zulassungsstelle wurde die Anmeldung verweigert, da das Fahrzeug als gestohlen gemeldet war.

Das Autohaus verlangte sodann die Herausgabe des Fahrzeugs. In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen, in zweiter Instanz wurde der Dritte zur Herausgabe verurteilt. Die hiergegen eingelegte Revision hatte Erfolg. Der BGH verneinte die Voraussetzungen der Herausgabe und hielt fest, dass von einem gutgläubigen Erwerb auszugehen ist. Hierzu führt der BGH aus, dass das Autohaus seinen Besitz an dem Fahrzeug nicht unfreiwillig verloren hat. Dass die Besitzaufgabe letztendlich durch Täuschung verursacht worden sei, habe rechtlich keine Relevanz. Das Autohaus habe dem vermeintlichen Kaufinteressenten das Fahrzeug im Rahmen der Vertragsanbahnung anvertraut, sodass von einem gesetzlichen Schuldverhältnis auszugehen ist. Dass es sich um ein gestohlenes Fahrzeug handelt, sei zudem für den Dritten nicht erkennbar gewesen, sodass die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb zu bejahen sind. Da von einem gutgläubigen Erwerb auszugehen ist, wurde das Autohaus zudem verpflichtet, dem Dritten als Fahrzeugeigentümer die Originalpapiere auszuhändigen.

Ansprechpartner: Rechtsanwältin Dr. Petra Dietenmaier